Das lebendige Theorem

Villani, Cédric

BuchcoverIch habe das Buch geschenkt bekommen mit der Ankündigung, dass es sehr polarisierend sei. Ich hatte vorher noch nichts von Cédric Villani gehört und habe zunächst angefangen, das Buch zu lesen, bevor ich mir dann später ein paar Rezensionen auf Amazon angesehen habe. Ich kann viele der Kritikpunkte nachvollziehen, habe das Buch aber dennoch gerne und mit Gewinn gelesen. Doch zunächst zum Buch selbst: Cédric Villani ist Träger der Fields-Medaille aus dem Jahre 2010 und beschreibt in seinem Buch in erster Linie die Arbeit an einem Projekt von 2008 bis 2010, die zu dem Gewinn des Preises entscheidend beigetragen hat. Der Stil ist in etwa der eines Tagebuchs und besteht zum Teil aus Beschreibungen von Villanis Leben und seinen Fortschritten an dem Projekt, zum Teil aus der Emailkorrespondenz zwischen Villani und seinem Partner in dem Projekt, Clément Mouhot. Dieser Stil ist auch das, was von vielen Lesern kritisiert wird. Den zum Teil abgedruckten mathematischen Ableitungen konnte in der Tat auch ich nicht folgen, man müsste dafür wohl selbst ziemlich tief in der Materie stecken. Mich persönlich hat das aber nicht sehr gestört, ich denke sogar, dass sie mir beim Diagonallesen trotz mangelndem Verständnis durchaus geholfen haben, einen Einblick in die Arbeitsweise der beiden Protagonisten zu bekommen. Noch mehr trifft das auf die abgedruckte Emailkorrespondenz zu. Sie war für mich das Interessanteste an dem ganzen Buch. Hätte Villani diese Texte überarbeitet, um sie verständlicher zu machen, wäre viel Information verloren gegangen. In welchem Ton sprechen die beiden miteinander? Wie viele Details tauschen sie in ihren Emails aus? Sind die Emails sehr formell oder stehen auch Witzchen und private Kommentare mit darin? Diese Details fand ich auch vor dem Hintergrund meiner eigenen Forschertätigkeit viel interessanter als die Mathematik an sich, geben sie doch einen beispielhaften Eindruck davon, wie ein moderner Mathematiker arbeitet. In den anderen Abschnitten finden sich einige amüsante Anekdoten, allerdings auch viel Selbstbeweihräucherung Villanis. Er scheint der Überzeugung zu sein, für den Leser sei alles an seiner Person interessant. So beschreibt er detailliert einen seiner Träume oder erzählt uns, wie er auf Rockkonzerte geht oder sich Fortsetzungsgeschichten für seine Kinder ausdenkt. Diese Dinge haben mit dem eigentlichen Thema nichts zu tun und sollen uns augenscheinlich nur vorführen, was für ein cooler Typ Villani ist. Dass er Musik, die er zu der jeweiligen Zeit viel gehört hat, immer noch mit seinen Projekten verbindet, finde ich nachvollziehbar und durchaus erwähnenswert, und zwei oder drei Beispiele habe ich gerne gelesen. Villani bringt aber zwei bis drei Seiten Beispiele. Das interessiert mich nicht. Alles in allem ist das Buch literarisch nicht sehr wertvoll, und ich denke, dass die Kritik der meisten unzufriedenen Leser darauf beruht, dass sie in dieser Hinsicht mehr erwartet haben. Ich fand es dennoch lesenswert und bin Villani dankbar dafür, dass er mir diesen teilweise durchaus tiefen Einblick in seine Arbeit und sein Leben gewährt hat. Ich kann das Buch vor allem Lesern mit mathematischem und/oder Forschungshintergrund empfehlen, ich befürchte, dass andere Leser deutlich weniger mit ihm anfangen können.

Hinzugefügt am: 2013-07-16
Kritiker: Morris
Bewertung

Zugehöriger Link: das Buch bei amazon.de
Gelesen: 3791




Durchschnittsbewertung: 2 Bewertungen

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Weitere Kommentare:
Das lebendige Theorem
Bewertung von Ueli am 23.12.2013

Ueli schreibt:

Das Buch liefert viele Einsichten in Leben Werk eines Spitzenmathematikers. Allerdings wollte Villani meiner Ansicht nach zu viel in sein Buch packen. Ich habe nie ganz verstanden was das Buch eigentlich will. Handelt es von einem Menschen, einem Theorem, Latex, dem Familienleben wenn man oft den Arbeitsort wechselt oder ist es einfach eine mehr oder weniger versteckte Selbstdarstellung?
Villani mag sehr vielseitig sein. Dem Buch hätte aber eine Konzentration auf ein Gebiet gut getan.


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